Pferde in der Psychotherapie

Pferde können als Therapiebegleittiere in vielfacher Hinsicht zur Unterstützung psychotherapeutischer Arbeit eingesetzt werden. Prof. Dettling, leitender Oberarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der Charité Berlin beschreibt den Einsatz von Pferden bei einer Vielzahl von psychischen Störungen, darunter depressive Störungen, Angststörungen, Persönlichkeitsstörungen, posttraumatische Belastungsstörungen, Essstörungen, Schizophrenie und demenzielle Störungen. Der Einsatz von Pferden kann zu nahezu jeder Behandlungsperiode erfolgen. Doch wie "funktioniert" der Einsatz von Pferden in der Psychotherapie?

 

Lösungsfokusiertes Gespräch und Arbeit mit den Pferden

Die pferdegestützte Psychotherapie, wie sie auf dem Therapiehof Hohenrode durchgeführt wird, ruht auf den beiden Säulen lösungsfokussiertes Gespräch und Arbeit im pferdeassistierten Setting. In der Regel finden die Übungseinheiten mit den Pferden vom Boden aus statt. In besonderen Fällen und wenn der Patient einverstanden ist, bieten wir dem Patienten auch die Erfahrung des Getragenwerdens an.

 

Wirkung der Pferde

Bei allem was während der pferdegestützen Psychotherapie geschieht, wirkt das Pferd nicht durch seine bloße Existenz, sondern durch das, was in der Beziehung mit dem Tier im Menschen ausgelöst und angeregt wird. Das beginnt manchmal bereits beim ersten Kontakt mit dem Pferd. Da sich unsere als Problem empfundenen Erlebens- und Verhaltensmuster oft auch in der Interaktion mit dem Pferd zeigen, leistet das Pferd bereits in der diagnostischen Phase gute Dienste. So dringen wir oftmals schnell zu dem Thema vor, das von zentraler Bedeutung für unsere Probleme ist.

 

Optimales Therapie-Setting durch die Pferde

Das Pferd ist von seinem Wesen her frei von Werten, Vorannahmen und Vorurteilen. Es bietet Empathiefähigkeit (Einfühlungsvermögen), unverfälschte Ursprünglichkeit, Eindeutigkeit, Ehrlichkeit und einen vollständigen Realbezug zum Hier und Jetzt. Diese Eigenschaften werden von der Psychotherapie-Forschung als die besten Bedingungen für den Erfolg einer Psychotherapie genannt.

 

Wichtig für den Therapieerfolg ist die persönliche Nähe des Therapeuten zu seinen Tieren

Eine persönliche Nähe zwischen dem Therapeuten und seinen Tieren, die von Vertrauen und gegenseitigem Respekt gekennzeichnet ist, ist aus vielerlei Gründen förderlich für den Therpieerfolg. Viele unserer Pferde leben schon länger als 10 Jahre mit uns zusammen, wir begegnen den Pferden auf dem Therapiehof Hohenrode täglich bei der notwendigen Versorgung und die jüngeren "Team-Mitglieder" sind sogar bei uns geboren.

 

 

Eines der Ziele der pferdegestützten Psychotherapie ist die Aktivierung von Ressourcen

Oft spiegeln sich in der Arbeit mit dem Pferd Situationen, die den Problemen des Patienten im Alltag nahe kommen. Die positive Bewältigung dieser Situationen während der pferdegestützten Psychotherapie bewirkt bereits hier einen aktiven Lernprozess, der es dem Betroffenen erleichtert, ähnliche Situationen im Alltag besser zu meistern. Neben den spezifischen Lernerfahrungen kommt es durch die positiven Bewältigungserfahrungen auch oft zu einerm Ausgleich des erheblichen Selbstwertverlustes, unter dem viele Patienten leiden. Dadurch werden die Ressourcen des Patienten gestärkt, was wiederum - unabhängig von der Diagnose - zu einer Verminderung der Symptomatik des Patienten führen kann.

 

 

Sofort-Feedback in der Arbeit mit den Pferden

Von besonderer Bedeutung erscheint bei der pferdegestützten Psychotherapie die Tatsache, dass die Arbeit mit den Tieren den Betroffenen ein "Sofort-Feedback" gibt. Das heißt vereinfacht, "richtiges soziales Verhalten" führt zu einer erwünschten Reaktion des Tieres, "suboptimales Verhalten" hat nicht die gewünschte Reaktion zur Folge. Die Konsequenz daraus ist ein rascher, unmittelbarer Lernprozess, der vor allem praktische Erfolgserlebnisse beinhaltet. Nach Aussage von Patienten ist das von großer Bedeutung, da sich dadurch die "Alltagshürde" stark vermindert. Erfolgserlebnisse bestätigen und ermutigen, das Erlernte auch im Alltag umzusetzen.

 

Verbesserung der Sozialkompetenz

Eine zentrale Domäne der pferdegestützen Psychotherapie stellt die Verbesserung der Sozialkompetenz dar. Die Steigerung des Selbstwertgefühls ermöglicht die schrittweise Verminderung des sozialen Rückzugs. Damit stellt die pferdegestützte Psychotherapie einen wertvollen Baustein im Sinne eines integrativen Behandlungsansatzes dar.

 

Ziele der pferdegestützten Psychotherapie

Während des therapeutischen Prozesses setzen wir die Pferde entsprechend den von uns individuell für den entsprechenden Patienten definierten Ziele ein:

 

  • Pferde als Ressourcen
    Es fällt uns viel leichter, an unseren Lösungen zu arbeiten, wenn wir aus einem Gefühl der Stärke agieren können. Die Arbeit mit Pferden kann uns dieses Gefühl vermitteln (Erfolgserlebnisse). Pferde urteilen und verurteilen nicht, sie nehmen den Menschen, so wie er ist, wir Menschen fühlen uns vom Pferd verstanden, angenommen und respektiert.

  • Reduzierung von Isolation und Einsamkeit
    Beobachtet wird oft auch eine Reduzierung von Isolation und Einsamkeit.

  • Regulierende Wirkung von Pferden
    Bei unruhigen Menschen zeigt sich oft eine regulierende Wirkung durch die Pferde, die als Beruhigung und Ruhe erlebt wird.

  • Öffnung für Beziehungen
    Manche Menschen - gerade solche mit traumatischen Erlebnissen - sind oftmals erst bei Tieren wieder in der Lage, sich zu öffnen und eine emotionale Beziehung einzugehen - oftmals eine Voraussetzung, um auch anderen Menschen wieder Vertrauen schenken zu können.

  • Erkennen wichtiger Prinzipien des Zusammenlebens
    In der Arbeit mit Pferden werden oftmals auch wichtige Grundprinzipien klar, z.B. die große Bedeutung des Erkennens und Akzeptierens von Grenzen. Erst wenn wir uns sicher sein können, dass der andere unsere Grenzen respektiert, kann so etwas wie Vertrauen entstehen.

  • Kennenlernen unserer inneren Bezugssysteme
    Wendet sich ein Pferd von uns ab, hat das für verschiedene Menschen unterschiedliche Bedeutungen. Durch die Exploration der dabei auftretenden Gefühle können wir unsere inneren Bezugssysteme kennen lernen.

  • Klarheit im Handeln
    Wer kennt das nicht, dass andere über unsere Bedürfnisse hinweg gehen. Durch die Arbeit mit den Pferden lernen wir Klarheit und kongruentes Handeln. Wir lernen, klares Feedback zu geben.

  • Neubewertung der Selbsteinschätzung
    Oftmals erleben Menschen große Erfolge in den Übungen mit den Pferden. Dadurch findet mittelfristig eine Neubewertung der Selbsteinschätzung statt und danach lässt sich oft eine positive Erwartungshaltung auch für künftige Aufgaben beobachten.

  • Handlungsalternativen
    Gerade Angstpatienten können von der Beobachtung des Verhaltens von Pferden profitieren. Pferde haben manchmal Angst und dürfen auch Angst haben, schauen sich dann aber das bedrohliche Objekt noch einmal genauer an. Das Nachahmen und Modellieren des Verhaltens von Pferden ist für diese Patienten eine Handlungsalternative.

  • Sozialer Sparringpartner
    Darüberhinaus dient das Pferd oft auch als eine Art "sozialer Sparringpartner" in Übungssituationen.

 

Um zu zeigen, wie Patienten von der Arbeit mit Pferden profitieren können, soll zum Abschluss des Themas die Angstpatientin M. aus dem Buch von Opgen-Rhein, Kläschen, Dettling "Pferdegstützte Therapie bei psychischen Erkrankungen" (2012) zu Wort kommen:

 

"Wenn ich mit dem Pferd zusammen bin, dann fühle ich mich wahrgenommen, verstanden. Ich komme mir wichtig und lebendig vor. Carino (das Pferd) sieht mich als Person an, als M., so wie ich gerade M. bin. Der findet mich in Ordnung, ohne dass ich ihm was vor machen muss. Klingt ganz schön traurig, aber so was erlebe ich fast nicht mehr (...) Ich fühle mich viel zu oft klein und unwichtig, eigentlich unwert, ja sogar störend und falsch. Viele Menschen, auch ehemalige Freunde und Kollegen, sehen über mich hinweg. Vielen ist es unangenehm, mit mir zu tun zu haben, sie wissen nicht damit umzugehen, dass ich diese Angstmacke habe. Carino ist das wahrscheinlich egal, ob ich eine Macke habe oder nicht, er mag mich so ..."

 

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